Sunday, August 10, 2008

Justice aus Südafrika

Peace is the fruit of Justice
Schrift auf einem palästinensischen T-shirt

Give us justice and we will reward you with Peace
Graffito an der Mauer in Bethlehem

Justice and onlyJustice
Buchtitel mit der Befreiungstheologie aus Palästina

Noch einmal: An Nu’man, ein von der Sperranlage isoliertes Dorf. Wir stehen unschlüssig vor der Eingangstür, halb im Garten. Ein älterer Mann steht im Schatten eines Baumes, wir erkennen ihn spät. Wir grüßen und fragen, ob wir hier richtig sind bei Jawal Dirawi. „Ja, der wohnt hier“, ist die Antwort. „Wir wollen ihn besuchen“. „Ahlan wa sahlan, er ist bei seinen Tauben. “Und der Mann, der sich später als Dr. Ibrahim Dirawi vorstellt, führt uns tiefer in den Garten zu der Voliere, wo Jamal Dirawi beim Füttern der Tauben ist. Ich habe die Geschichte an anderer Stelle weiter erzählt.
Und jetzt folgt die Vorstellung, die sich oft ähnlich abgespielt hat, wenn Justice und ich gemeinsam unterwegs waren und die gleichzeitig als Gesprächseinleitung diente:
I am Justice from South Africa.
Justice? Gerechtigkeit? Das ist Ihr Name?
Ja, das ist mein Name. Und hier ist Gottfried aus Deutschland. Sein Name bedeutet „Bei Gott ist Frieden“.
Na, das ist ja phantastisch – Gerechtigkeit und Frieden kommen uns besuchen! Ahlan wa sahlan! Willkommen. Kommen Sie und setzen Sie sich! Frieden – bitte setzen Sie sich hierher.
Aber Gerechtigkeit zuerst!
Wie bitte?
Ich meine, Gerechtigkeit kommt vor Frieden, Gerechtigkeit soll sich zuerst niederlassen.
Gut, sehr gut, reden wir über Politik, nichts leichter als das, wenn man Gerechtigkeit und Frieden zu Besuch hat…

So verlief unsere Vorstellung und Begrüßung in an Nu’man, als wir der pauschalen Einladung Jamal Dirawis, der uns einige Tage vorher am Checkpoint getroffen hatte, gefolgt waren. Und so ähnlich verlief das öfter. Der Name „Justice“ und das Herkunftsland Südafrika waren immer wieder ein einfacher Gesprächseinstieg. Gerechtigkeit ist ein großes Wort in Palästina. Frieden dagegen ist ein herunter gekommenes suspektes Wort, das zu oft verraten und missbraucht worden ist. Nur im Zusammenhang mit Gerechtigkeit erhält das Wort einen Sinn. Und da waren wir natürlich schon mitten im Thema.

In Al Khadr hatten wir beide die Namen Jaddal (Gerechtigkeit) und Salaam (Frieden). Ismael, ein sehr temperamentvoller Mann aus dem Stadtrat hat uns einfach umbenannt. „Jaddal, was ist los, unser Fernsehen zeigt uns schlechte Nachrichten aus Südafrika ? Oder: „Salaam, habe ich Sie nicht heute früh im Checkpoint gesehen?“

Was ist Gerechtigkeit, war die Frage, mit der unser Gespräch in Al Khadr fortgeführt worden war. Gerechtigkeit, das ist… fingen wir an zu stottern und suchten nach einfachen Bildern.
Wenn sich die Anordnung zum Hausabriss als Irrtum erweist, fange ich an
Wenn die Sperranlage an die Waffenstillstandslinie von 1948 zurück verlegt wird
Wenn die Bauern ungehindert auf ihre Felder dürfen
Wenn der Bürgermeister zu der Internationalen Konferenz in die Niederlande fahren darf, fällt der Bürgermeister ein, weil er doch einen jordanischen Pass und ein Visum aus den Niederlanden hat
Wenn die Mütter ihre kranken Kinder in die palästinensischen Krankenhäuser in Ostjerusalem bringen dürfen
Und so geht das weiter. Die Liste ist lang. Alle versuchen, ganz praktische Beispiele zu nennen, keine ideologischen Formeln. Die Behinderungen des besetzten Palästina werden aufgezählt. Sie sind außerhalb jeden gesunden Rechtsempfindens, sie widersprechen dem Völkerrecht, sie widersprechen teilweise israelischem Recht, Gerichtsurteile werden aber notfalls von der Armee für nichtig erklärt, wenn Sicherheitsinteressen des Landes gegen sie sprechen.
Gerechtigkeit ist zu einer Utopie geworden.

Gerechtigkeit ist auch ein Name Gottes, in den Heiligen Büchern der Juden, der Christen und der Muslime. Oder nur ein Merkmal der Herrschaft Gottes, auf die wir so sehnlich warten?

Zurück zu Justice, dem Pfarrer aus Südafrika. Hier ist er einer von vier Freiwilligen im Team des Weltkirchenrates, das dieses Begleit-Programm in Israel/Palästina durchführt. Wir sind Freunde geworden in diesen Wochen, die wir in Bethlehem zusammen verbracht haben. Ein schönes Foto bleibt mir als Erinnerung, mit dem T-shirt, das wir beide geschenkt gekriegt haben. Und mit dem Buch von Naim Ateek. Und die Mahnung, dass Namen nicht nur Schall und Rauch sind.

Und das wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird, „der Herr unsere Gerechtigkeit“
Die Bibel, Jeremia 23 Vers 6

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